Energiewende
BfN-Präsidentin Jessel am Rednerpult
BfN/Jörg Heupel

Energiewende ist eine Herausforderung – auch für den Naturschutz

Pressemitteilung, Bonn: Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) verstärkt und vernetzt seine Forschung zur Vereinbarkeit von Naturschutz und dem Ausbau der Erneuerbaren Energien. Dabei stehen Schutz und Erhalt der Artenvielfalt ebenso auf dem Programm wie die mögliche Entwicklung des Landschaftsbildes im Zuge der Energiewende. Erstmals treffen sich jetzt die an den Forschungsvorhaben des BfN Beteiligten zu einem zweitägigen Vernetzungskolloquium in Bonn. Zur Eröffnung am 7. März sprach sich BfN-Präsidentin Prof. Beate Jessel für einen stärkeren Austausch zwischen Forschung, Politik und Praxis aus.

Die Energiewende erfordert einen weitreichenden Umbau des Energiesystems. Der Verzicht auf zentrale Großkraftwerke bringt den breiten Ausbau der Energieerzeugung in der Fläche mit sich, der nicht ohne Auswirkungen auf Landschaften und Lebensräume vonstattengeht. Leistungsfähigere Stromtrassen, genauso wie Windräder, Solarfelder und andere Anlagen, benötigen Platz und stellen einen Eingriff in gewachsene Lebensräume und Landschaftsbilder dar. Hinzu kommen die jeweils spezifischen Auswirkungen der Anlagen auf einzelne Arten. Betroffen sind vor allem bestimmte Vogelarten wie Rotmilan, Seeadler und Schwarzstorch, aber auch verschiedene Arten von Fledermäusen, Meeressäugetieren und Fischen.

Die Auswirkungen des Ausbaus der Erneuerbaren Energien auf die Belange des Naturschutzes stehen im Mittelpunkt von derzeit über 20 Forschungsvorhaben, die das Bundesamt für Naturschutz aktuell aus Mitteln des Ressortforschungsplans des Bundesumweltministeriums fördert. Durch eine übergreifende Vernetzung zwischen den Projekten sollen der Austausch befördert, Synergien erschlossen und die Verbreitung der Ergebnisse verbessert werden. Zum ersten Mal treffen sich alle Forschergruppen und an den Vorhaben Beteiligte nun in Bonn, um diesen Prozess einzuleiten und die Dimensionen der gemeinsamen Forschung auszuloten.

"Auch der Naturschutz braucht die Energiewende", sagte BfN-Präsidentin Prof. Beate Jessel bei der Eröffnung des Vernetzungskolloquiums, "aber sie ist mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden. Gerade deshalb muss der Naturschutz beim Ausbau der erneuerbaren Energien angemessen und frühzeitig berücksichtigt werden und sich auch selber aktiv einbringen. Hier ist die Wissenschaft gefragt. Sie muss Wirkungszusammenhänge erforschen, Ansatzpunkte für die Konfliktminderung identifizieren und Perspektiven an die Politik und Praxis vermitteln. Das Bundesamt für Naturschutz unterstützt dies mit vielfältigen Forschungsvorhaben. Deren Ergebnisse sollen nicht zuletzt auch Bürgerinnen und Bürger in die Lage versetzen, sich so sorgfältig ihre Meinung zu bilden, wie es der komplexen Wirklichkeit entspricht."

Um den Austausch zwischen den Projekten zu fördern und die Ergebnisse und Empfehlungen aus der Forschung in die Praxis zu bringen, soll für das Forschungsfeld die Website
www.natur-und-erneuerbare.de erstellt werden.

Hintergrund: Leitthemen im Forschungsfeld

Das BfN fördert im Themenfeld "Naturschutz und Erneuerbare Energien" unter anderem Forschungsprojekte zu den folgenden Leitthemen:

  • Energielandschaft: Verschiedene Vorhaben beschäftigen sich mit dem Thema "Landschaftsbild und Energiewende". Einerseits wird erarbeitet, welche sichtbaren Entwicklungen in unseren Landschaften zu erwarten sind, und worauf bei der Gestaltung von Energielandschaft besonders zu achten ist. Dabei werden besonders die planerische Herangehensweisen sowie Mitwirkungsmöglichkeiten der Öffentlichkeit in den Fokus genommen. Auch Fragen der Bewertung des Landschaftsbildes bilden einen Schwerpunkt.
  • Natur- und Lebensräume: Um die Auswirkungen des Ausbaus erneuerbarer Energien auf Lebensräume und bestimmte Arten zu reduzieren, ist es zunächst wesentlich, diese genau benennen und bewerten zu können. Dazu erforscht etwa das Projekt "Naturschutzfachliche Begleitung der Energiewende im Strombereich" mit Hilfe von Entwicklungsanalysen, Fallstudien und biologischen Indikatoren, wie sich die unterschiedlichen Nutzungsformen der Energiewende großräumig auf die biologische Vielfalt auswirken.
  • Artenschutz: Von Erneuerbaren-Energien-Anlagen können Gefahren für besonders geschützte Arten ausgehen. So untersucht eine Reihe von Vorhaben, ob und wie Vögel, Fledermäuse oder Fische durch die verschiedenen Anlagen beeinträchtigt werden und wie dies vor dem Hintergrund des rechtlichen Schutzes der einzelnen Spezies zu bewerten ist. Zudem geht es darum, wie die Beeinträchtigungen in der Praxis erfolgreich vermieden oder gemindert werden können. Beispielhaft kann hier das Vorhaben "Vorher-Nachher-Untersuchungen an Windenergieanlagen (WEA) im Wald zur Ermittlung der Auswirkungen auf Fledermausvorkommen" genannt werden.
  • Methoden und Steuerungsansätze: Die Planung von Energieanlagen oder Stromtrassen erfolgt auf verschiedenen Ebenen und ist von vielen Faktoren abhängig. Auf welchen Wegen die verschiedenen Anforderungen von Naturschutz und Energiewirtschaft bereits bei der Planung berücksichtigt werden können, ist daher ein Forschungsfeld weiterer Vorhaben. Das Projekt "Energiekonzepte und Naturschutz" untersucht beispielsweise, wie in den Kommunen und Regionen bereits auf der konzeptionellen Ebene Naturschutzaspekte in die Planungen zum Klimaschutz einbezogen werden können.
  • Erfassung und Monitoring: Um angemessen reagieren zu können, wenn Tiere und Lebensräume durch die Nutzung für Erneuerbare Energien beeinträchtigt werden, und die Wirkungsprognosen geplanter Entwicklungen zu verbessern, müssen die Auswirkungen vorhandener Anlagen und Nutzungen systematisch beobachtet und eingeschätzt werden können. Dazu forscht etwa das Projekt "Vogelzug über dem offenen Meer" (BIRDMOVE) mit dem Ziel potenzielle Auswirkungen von Offshore-Windenergieanlagen auf Zug- und Rastvögel artspezifisch zu erfassen.