Thematischer Fokus
Der thematische Fokus lag in diesem Jahr auf der Frage, wie die Belange des Natur- und Artenschutzes trotz der vielfältigen Initiativen zur Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren im Bereich der Windenergienutzung angemessen berücksichtigt werden können. Mit dem Ziel der Planungsbeschleunigung für die Windenergie an Land wurden umfassende gesetzliche Veränderungen auf den Weg gebracht, die auch den Umgang mit Naturschutzbelangen in den Verfahren betreffen. Hierbei sind insbesondere das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), die Verordnung zur Festlegung eines Rahmens für einen beschleunigten Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien, das Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) sowie die novellierte Richtlinie zur Förderung der Nutzung von Energien aus erneuerbaren Quellen (RED II) zu nennen.
Diskutierende
Im Anschluss an die Begrüßung und Einführung durch die Präsidentin des BfN, Frau Sabine Riewenherm wurden in zwei Impulsvorträgen von Dr. Matthias Proske (Regionalverband Mittlerer Oberrhein, Baden-Württemberg) sowie Monika Agatz (Kreis Borken, Nordrhein-Westfalen) die besonderen Herausforderungen auf der Planungs- und der Genehmigungsebene umrissen. Diese Herausforderungen wurden in der sich anschließenden Podiumsdiskussion aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und vertieft. Auf dem Podium waren vertreten Kathrin Ammermann (BfN, Leiterin FG II 4.3 Naturschutz und erneuerbare Energien), Michael Heugel (BMUV, Leiter Referat N II 1 Recht des Naturschutzes und der Landschaftspflege, Markus Pauly (JUWI GmbH, Abteilungsleiter Projektentwicklungsexperten), Magnus Wessel (BUND e. V., Leiter Naturschutzpolitik), sowie die beiden Vortragenden Dr. Matthias Proske und Monika Agatz. Die Moderation hatte Dr. Tanja Busse, Autorin und Fachjournalistin, inne, wobei auch Fragen aus dem Auditorium im Raum sowie der online zugeschalteten Teilnehmer*innen eingeflochten wurden. Die Schlüsselthemen des zweieinhalbstündigen Fachgesprächs wurden zum Abschluss durch Herrn Dr. Alfred Herberg, Leiter des BfN-Fachbereichs II, Schutz, Entwicklung und nachhaltige Nutzung von Natur und Landschaft, zusammengefasst.
Zentrale Diskussionspunkte
Das BfN-Fachgespräch hat einmal mehr deutlich gemacht, dass die globalen Krisen des Biodiversitätsverlusts und Klimawandels nicht isoliert betrachtet werden dürfen, weil sich die spezifischen Lösungsansätze immer wieder berührenden und daher stets parallel gedacht werden müssen. Hier hat sich die intensive Kommunikation zwischen allen Akteurinnen und Akteuren als zentrale Voraussetzung für gelungene und richtungsweisende Konzepte erwiesen. Rückblickend auf die Vorträge und die Diskussion zeichnen sich einige weitere Aspekte ab, die immer wieder in den Mittelpunkt gerückt wurden.
Datenlage
Das betrifft v.a. das Fehlen von bzw. die Bereitstellung von Daten zur sachgerechten Abbildung der Vorkommen WEA-empfindlicher Vogel- und Fledermausarten im Raum. Das gilt sowohl für die Ebene der Regionalplanung, wo die Belange des Artenschutzes zukünftig eine wesentlich intensivere Betrachtung erfordern, als auch für die Genehmigungsebene, wo Maßnahmen zur Minderung von Auswirkungen zukünftig nur noch auf der Grundlage vorhandener Daten festgelegt werden sollen. Daher müssten die vorhandenen Daten, u.a. aus projektbezogenen Kartierungen, deutlich besser verfügbar gemacht und darüber hinaus staatlich gestützte Erfassungs- und Modellierungsaktivitäten ergriffen werden.
Flächenverfügbarkeit
Ein weiterer zentraler Diskussionspunkt war die Verfügbarkeit von Flächen, sowohl für den Ausbau der Windenergienutzung und die Verbesserung der Habitatbedingungen der von den Wirkungen der Windenergienutzung betroffenen Arten als Kompensation für unvermeidbare Beeinträchtigungen. Der Ausbau der Windenergienutzung sollten dort stattfinden, wo die Konflikte mit den Belangen des Naturschutzes am geringsten sind. Das erfordert von der Bundes- bis zur regionalen Ebene systematische Potenzialflächenanalysen, in die Kriterien des Natur- und Artenschutzes mit hohem Gewicht einfließen müssen. Flächen benötigen aber auch die Maßnahmen zur Kompensation der unvermeidbaren Beeinträchtigungen durch die Windenergienutzung, wie sie nicht zuletzt im Zuge von Artenhilfsprogrammen umgesetzt werden sollen. Und auch Flächen für Maßnahmen zum natürlichen Klimaschutz, die zudem alle einen positiven Effekt für die Biodiversität aufweisen, werden zukünftig verstärkt benötigt. Dieser kombinierte Flächenbedarf legt es nahe, die zusätzlichen Flächen für den Naturschutz bereits auf der Ebene der Regionalplanung parallel zur Ausweisung der Windenergiegebiete zu betrachten und festzulegen.
Artenhilfsprogramme
Zur Umsetzung der Artenhilfsprogramme ist eine Förderrichtlinie in Vorbereitung, sodass damit Maßnahmen umgesetzt werden können, wenn die Flächen bereitstehen. Da die finanzielle Ausstattung der Förderrichtlinie sowohl aus staatlichen Mitteln als auch aus einzelfallabhängigen Ausgleichszahlungen der Antragsteller gespeist werden soll, ist die Planbarkeit der Maßnahmen noch eingeschränkt. Deutlich gemacht wurde auch immer wieder, dass das AHP jedoch bundesweite oder überregionale Artenschutzprogramme nur ergänzen, aber nicht ersetzen kann. Weiterhin wurde ein kontinuierliches Erfolgsmonitoring gefordert. Nur so kann gewährleistet werden, dass die ergriffenen Maßnahmen tatsächlich zu der beabsichtigten Sicherung der günstigen Erhaltungszustände führen.
Fachkräftemangel
Als großes Hemmnis für die angemessene Behandlung von Naturschutzbelangen in den Planungs- und Genehmigungsverfahren wurde der akute Fachkräftemangel bei allen beteiligten Akteuren (u. a. Windbranche, Verwaltung, Gutachterbüros, Naturschutz) ausgemacht. Vor diesem Hintergrund ist die Effizienz der Verfahren und Prozesse ein ganz entscheidender Hebel, um auch unter den gegebenen Rahmenbedingungen die Ziele des Naturschutzes und des Windenergieausbaus gemeinsam zu erfüllen.
Fazit
Das BfN wird im Gespräch mit anderen Akteuren weiter prüfen, in welchen Bereichen eine Entwicklung von weiteren Fachstandards möglich und sinnvoll ist. Hierbei besteht auch Potenzial darin, bestehende Standards anzupassen stärker in die Anwendung zu bringen. Spezielle bundesweit gültige Standards oder Leitfäden für die Windenergienutzung in Waldgebieten wurden jedoch nicht als sinnvoll erachtet, da die Situation in den Bundesländern zu heterogen ist.
Download der Unterlagen
Präsentationen und Handout
Dr. Matthias Proske, RVMO/AGRV
Kontakt
BfN-Fachgebiet II 4.3, Naturschutz und erneuerbare Energien: FG-II43(at) BfN.de