Energiewende
Michael Roth

Bundesweite Daten zur Landschaftsbildqualität beim Stromnetzausbau

Für die Bewertung möglicher Eingriffe in das Landschaftsbild im Zuge der frühzeitigen Umweltfolgenabschätzung zur nationalen Netzausbauplanung fehlte es bisher an geeigneten bundesweiten Daten zur Landschaftsbildqualität, die auf einer einheitlichen Methodik und Datengrundlage basieren. Das vom BfN im Schwerpunkt „Naturschutz und erneuerbare Energien“ mit Mitteln des Bundesumweltministeriums geförderte FuE-Vorhaben zur „Entwicklung eines Bewertungsmodells zum Landschaftsbild beim Stromnetzausbau“ hat diese Lücke nun mit seinem Schlussbericht geschlossen.

Roth, M.; Hildebrandt, S.; Roser, F.; Schwarz-von Raumer, H.-G.; Borsdorff, M.; Peters, W.; Weingarten, E.; Thylmann, M; Bruns, E.: Entwicklung eines Bewertungsmodells zum Landschaftsbild beim Stromnetzausbau. Bonn-Bad Godesberg, 2021.

BfN-Skripten 597

Die drei Faktoren Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie der Erholungswert der Landschaft, wie sie im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) genannt sind, werden dabei separat modelliert und bewertet. Unter Nutzung von Geoinformationssystemen (GIS) und statistischer Analysen werden bundesweite Bewertungsmodelle entwickelt, die auf Basis von nutzerbewerteten Landschaftsfotos kalibriert und validiert werden. Die bewerteten Landschaftsfotos wurden im Rahmen einer Fotodokumentation in 30 repräsentativen Stichprobenräumen von je ca. 150 km² Größe innerhalb Deutschlands gemacht. Diese Stichprobe stellt die Vielfalt deutscher Landschaften, von den Küstenregionen bis in die Alpen, von Waldgebieten, über ländlich geprägte Gebiete bis in Ballungsräume dar. Eine expertenbasierte Auswahl von über 800 Landschaftsfotos wurde im Rahmen einer Onlineumfrage in Kooperation mit einem sozialwissenschaftlichen Panel von über 3.500 Teilnehmenden bewertet. Die Teilnehmenden haben eine zufällige Auswahl der Fotos hinsichtlich der Erlebnisdimensionen Vielfalt, Eigenart, Schönheit und Erholungswert auf einer neunstufigen Skala bewertet.

Die auf den bewerteten Landschaftsfotos sichtbaren Landschaftselemente, Landnutzungen und Landschaftsstrukturen wurde mit Hilfe eines Geoinformationssystems analysiert. Zu diesem Zweck wurden im Vorhaben über 80 in der Fachliteratur genannte Indikatoren zur Landschaftsbildbewertung identifiziert, die in GIS anhand bundesweit verfügbarer und homogener Daten operationalisiert werden können (z. B. Vorkommen von Landnutzungsarten, Reliefenergie, Strukturvielfalt). Das Vorkommen der einzelnen Indikatoren im auf den Fotos sichtbaren Landschaftsausschnitt wurde ermittelt. Auf Basis linearer Regression wurden Bewertungsmodelle errechnet, die den Zusammenhang zwischen der Objektseite des Landschaftsbildes in Form des ermittelten Vorkommens der unterschiedlichen Landschaftsmerkmale und den subjektiven Landschaftsbildbewertungen beschreiben.

Je ein solches Bewertungsmodell wurde für die unterschiedlichen Erlebnisdimensionen Vielfalt, Eigenart, Schönheit und Erholungswert berechnet. Das Modell zum Erholungswert basiert zusätzlich zu den analysierten Umfrage- und Landschaftsstrukturdaten auf Daten zu touristischem Angebot und Nachfrage. Die vier Modelle erklären je 61 bis 65 % der Varianz der wahrgenommenen Ausprägung der jeweiligen Erlebnisdimension. Zudem wurde aus der Vielfalt, Eigenart und Schönheit eine Gesamtbedeutung berechnet, die ausschlaggebend für eine praktische bundesweite Bewertung des Landschaftsbilds ist. Jedes Modell wird flächendeckend angewendet. Im Ergebnis entstehen Karten, die eine bundesweite Landschaftsbildbewertung in neun Stufen zeigen. Die Auflösung der Bewertungsergebnisse ist dabei durch quadratische Bewertungsraster von 1 km x 1 km bestimmt.

Aufbauend auf den Landschaftsbildbewertungsmodellen, anhand derer die Bedeutung einer Fläche für das Landschaftsbild und den Erholungswert abgeleitet wird, wurde eine Methode zur Bewertung der Konfliktrisiken von Landschaftsbild und Erholungswert gegenüber dem Neu- und Ausbau von Freileitungen und Erdkabeln entwickelt. Hierfür wurde die jeweilige landschaftsbild- und erholungswertbezogene Bedeutung der Fläche mit der Empfindlichkeit der Fläche gegenüber den spezifischen Wirkungen der Vorhabentypen aggregiert. Abschließend wurden die Methoden für die Bewertung der Konfliktrisiken von Landschaftsbild und Erholungswert gegenüber Freileitungen und Erdkabel exemplarisch in einem Testraum angewendet.

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