Energiewende

Wanderrouten der Fledermäuse

Projekttitel: Identifizierung von Fledermauswanderrouten und -korridoren

Im Fokus

  • Phänologie: Analyse von ca. 70.000 Beobachtungsdaten
  • Akustischer Transekt: Messungen an zwölf Standorten im Frühjahr und Herbst
  • Telemetrie: Wandern Fledermäuse entlang von Zugrouten und orientieren sie sich dabei an bestimmten Landschaftsformen?

Kontakt

PAN Planungsbüro für angewandten Naturschutz GmbH
Rosenkavalierplatz 8
81925 München
Dr. Angelika Meschede
Tel: 089/1228569-0
angelika.meschede(at)avoid-unrequested-mailsgmail.com

Förderung

FKZ 3512 86 0200
UFOPLAN 2012
Laufzeit: 01.08.2012 - 30.09.2015

Windenergieanlagen bedeuten eine mögliche Gefahr für wandernde Fledermäuse. Doch ihre Flugrouten sind weitgehend unbekannt und können daher bei der Planung nicht berücksichtigt werden. Diese Pilotstudie wertet verfügbare Daten in Bezug auf jahreszeitliches Auftreten aus, beurteilt Untersuchungsmethoden zur Erforschung der Migration und liefert Ergebnisse aus Freilandstudien von Großem Abendsegler und Rauhautfledermaus. Das Vorhaben ist bereits abgeschlossen. Feste Zugkorridore für Fledermäuse konnten in diesem Rahmen nicht nachgewiesen werden.

Auch Fledermäuse wandern über weite Strecken und könnten unterwegs durch Windenergieanlagen in Gefahr geraten. Vor diesem Hintergrund untersucht dieses Forschungsvorhaben das Zugverhalten der Fledermäuse anhand nachfolgender Fragestellungen:

  • Nutzen fernwandernde Fledermausarten Zugrouten und/oder Rastgebiete und lassen sich diese identifizieren?
  • Bevorzugen sie bestimmte Landschaftsstrukturen wie z.B. Flusstäler, Bergkämme oder -hänge und sind diese Strukturen Konzentrationspunkte?
  • Lassen sich Migrationsmodelle und Aussagen zur Art und Weise des Zuggeschehens für die drei Arten Großer Abendsegler, Kleiner Abendsegler und Rauhautfledermaus ableiten und wie unterscheiden sie sich ggf. zwischen den Arten?

VORGEHEN

In den phänologischen Analysen wurde die räumlich-zeitliche Verteilung der vier weit ziehenden Arten über einen ca. 1.000 km überspannenden Raum (Deutschland, Schweiz, Österreich) im Jahresverlauf plakativ visualisiert. Der Raum repräsentiert einen guten Anteil des mitteleuropäischen Migrationsgebietes. Fast 70.000 Beobachtungsdaten an fast 20.000 Fundorten wurden aus Literatur, Datenbanken der Fledermaus-Koordinationsstellen, Naturkundemuseen, Beringungszentralen, Naturschutzämtern und -organisationen, der Schweizer Stiftung Fledermausschutz und weiteren Experten zusammengetragen, analysiert und in UTM-Rasterkarten in Abschnitten zu je zehn Tagen aufgetragen.

Mit einem akustischen Transekt entlang des Kammes des Thüringer Waldes sowie in der vorgelagerten Ebene untersuchte das Projektteam an zwölf Standorten die Flugaktivität von Rauhautfledermaus und Großem Abendsegler über mehrere Wochen in einer Frühjahrs- und Herbstzugphase mit Hilfe automatischer Rufaufzeichnung hinsichtlich der Fragen:

  • Ziehen die Fledermausarten auf breiter Front über Mitteleuropa?
  • Meiden die Fledermausarten auf ihrem Zug das Gebirge?
  • Dienen einzelne Talzüge im Mittelgebirge als wichtige Wanderrouten?
  • Bevorzugen die Fledermausarten im Mittelgebirge kleinräumige spezielle Geländestrukturen wie z.B. Talhänge?

Im Zusammenhang mit Fledermauswanderungen wurde auch erstmalig die Funktionalität lichtempfindlicher Geodatenlogger (geolocator) an drei Fledermausarten getestet. Dabei ging es um folgende Leitfragen:

  • Können die Logger zur Aktivitätszeit der Fledermäuse noch Licht messen?
  • Ist eine funktionelle und tiergerechte Langzeitanbringung bei Fledermäusen möglich?

Dazu wurden zwei Loggertypen mit unterschiedlicher Lichtempfindlichkeit in Kurzzeittests und der lichtstärkere Typ zusätzlich in einem Langzeittest unter Einsatz eines speziell entwickelten Halsbandes am Tier im Freiland getestet.

Die Telemetrie war so konzipiert, dass zu Beginn der Frühjahrsmigration des Großen Abendseglers möglichst lückenlos und über einen möglichst langen Zeitraum Datenpunkte zu Aufenthaltsorten gesammelt wurden. Auf diesem Weg konnten Erkenntnisse über den genau beflogenen Weg und eventuelle Umwege während des Beginns der Migration gesammelt werden. Startpunkt war ein Überwinterungsgebiet in der Nordschweiz. Die wesentlichen Leitfragen hießen:

  • Wann, wo und woher fliegen ziehende Abendsegler?
  • Fliegen sie z.B. entlang bestimmter Geländestrukturen wie Gebirgen, Tälern oder Flussläufen?

Ergänzend gaben Isotopenanalysen aus Fellproben von fast 100 Individuen Aufschluss über die Herkunft der Nordschweizer Winterpopulation.

Ergebnisse

Phänologie

Migration von N. leisleri und P. nathusii verläuft gerichtet über eine große Entfernung. Die Populationsverschiebung von N. noctula ist dagegen wenig ausgeprägt. Eine gestaffelte Verschiebung von Teilpopulationen, die in den Daten nicht erkennbar sind, könnte größere Bewegungen kaschieren. Das Migrationsmuster von V. murinus ist komplexer als angenommen; der Datenumfang zu dieser Art ist noch zu gering.

Akustischer Transekt

An 12 Aufnahmestandorten traten die Arten zum Frühjahrs- und Herbstzug auf, wobei im Frühjahr überall für N. noctula und P. nathusii zwei Peaks erkennbar waren. Einzelne identifizierbare Zugnächte sind in allen Gebieten synchron.

Ziehende Fledermäuse meiden Gebirge nicht. Einzelne Talzüge spielen keine markante Rolle, bestimmte Habitate oder Geländestrukturen wurden nicht präferiert. Aktivitäten in den drei Mittelgebirgstälern ähnelten sich und stammten fast nur vom Zuggeschehen. Die hohe Aktivität am Vergleichsstandort (Ebene) speiste sich wahrscheinlich auch aus Nahrungs- und Quartiersuche in Rastgebieten und der herbstlichen Paarung.

Geodatenlogger

Kurzzeitversuch: Für N. noctula kann bereits ein lichtschwacher Chips eingesetzt werden, für N. leisleri und P. nathusii muss ein lichtstärkerer Typ verwendet werden. Ein Langzeitversuch blieb bisher erfolglos.

Telemetrie

Abwanderung der Abendseglerweibchen aus dem Überwinterungsgebiet fand 2013 zwischen Anfang Mai und Mitte Juni statt, 2014 fast am selben Tag. In zwei Jahren flogen die Tiere in verschiedenen Richtungen zwischen Nordost bis Ost ab. Die tatsächlich geflogene Route der ersten Hälfte der ersten Migrationsnacht wurde für zwei Tiere relativ genau dokumentiert: Ein Tier bewegte sich in zahlreichen Schleifen und "Umwegen" fort und verlängerte damit die tatsächlich geflogene Strecke. Der zurückgelegte Migrationsweg ist also möglicherweise deutlich länger im Vergleich zur direkten Linie Winterquartier-Wochenstube. "Umwege" lassen sich z.B. durch die Suche nach Nahrung erklären.

    Wanderrouten der Fledermäuse

    BfN-Skripten 453 (2017)

    Für die Praxis

    Die Ergebnisse des Vorhabens können Anwendung in der Planung finden. Insbesondere mit Bezug auf die Windenergie sollten folgende Ergebnisse berücksichtigt werden:

    • Breitfrontenzug lässt die Existenz von "Zugkorridoren" für Fledermäuse unwahrscheinlich werden; eine kartographische Darstellung des Zugraums entspräche nach derzeitigem Kenntnisstand der gesamten Landesfläche. Eine Zugwegekarte für Fledermäuse erscheint nach derzeitigem Wissensstand nicht sinnvoll.
    • Für die Windkraftbetreiber bieten sich die fledermausfreundlichen Betriebsalgorithmen an, um in Nächten mit hoher Fledermausaktivität während der Zugzeiten Schlagopferzahlen erheblich reduzieren zu können.
    • Rast- und Paarungsgebiete (Hotspots) ziehender Arten besitzen eine populationserhaltende Bedeutung; hier sollte auf Windenergienutzung verzichtet werden.

    Arbeitspakete

    Arbeitspakete

    1. Recherche, Aufbereitung und Analyse phänologischer Daten für die vier Fernzieher Großer und Kleiner Abendsegler, Rauhaut- und Zweifarbfledermaus
    2. Umfassende Recherchen zu den gängigen Feldmethoden und Entwicklung eines Untersuchungskonzeptes zur Erforschung der Migration unter Berücksichtigung und Beurteilung vorhandener Methoden
    3. Durchführung von experimentellen Pilotstudien im Freiland zur Erforschung der Zugwege unter Einsatz eines akustischen Transektes, geolocator (Geodatenlogger) und der Telemetrie

    Projektpartner

    Projektpartner

    Projektleitung 

    PAN Planungsbüro für angewandten Naturschutz GmbH
    Rosenkavalierplatz 8
    81925 München
    Dr. Angelika Meschede
    Tel: 089/1228569-0
    angelika.meschede(at)avoid-unrequested-mailsgmail.com

    Projektpartner 

    NACHTaktivBiologen für Fledermauskunde GbR
    Häßlerstraße 99
    99099 Erfurt
    Inken Karst, Wigbert Schorcht & Martin Biedermann
    anfrage(at)avoid-unrequested-mailsnachtaktiv-biologen.de
    www.nacht-aktiv.net

    SWILD Stadtökologie, Wildtierforschung, Kommunikation
    Wuhrstrasse 12
    CH-8003 Zürich
    Dr. Fabio Bontadina
    Tel: +44 (0) 450 68 05 / 06
    fabio.bontadina(at)avoid-unrequested-mailsswild.ch
    www.swild.ch

    Museum für Naturkunde Berlin – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung
    Invalidenstr. 43
    10115 Berlin
    PD Dr. Frieder Mayer
    Tel: 030/2093-8702
    Frieder.Mayer(at)avoid-unrequested-mailsmfn-berlin.de

    Koordinationsstelle für Fledermausschutz in Nordbayern
    Lehrstuhl für Tierphysiologie
    Universität Erlangen
    Staudtstraße 5
    91058 Erlangen
    Matthias Hammer
    Tel: 09131/852-8788
    mhammer(at)avoid-unrequested-mailsbiologie.uni-erlangen.de

    Koordinationsstelle für Fledermausschutz in Südbayern
    Hermann-Löns-Straße 4
    84478 Waldkraiburg
    Dr. Andreas Zahn
    Tel: 08638/86117
    Andreas.Zahn(at)avoid-unrequested-mailsiiv.de

    KFFÖ Koordinationsstelle für Fledermausschutz und -forschung in Österreich
    Fritz-Störk-Straße 13
    A-4060 Leonding
    Dr. Guido Reiter
    Tel: +43 (0) 676 7530634
    Guido.Reiter(at)avoid-unrequested-mailsfledermausschutz.at 

    Fördergeber 

    Bundesamt für Naturschutz
    FG II 1.1 Zoologischer Artenschutz
    Konstantinstr. 110
    53179 Bonn
    Sekretariat-II-1(at)avoid-unrequested-mailsBfN.de

    Leitthema

    Artenschutz   
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